Erste Pläne für einen Deutschlandbesuch Präsident Kennedy’s waren Anfang 1963 bekannt geworden. Kanzler Konrad Adenauer hatte im Januar erfahren, dass Kennedy nach Italien reisen wollte. Also lud er ihn zu einem Arbeitsbesuch nach Bonn ein. Von einem Besuch Berlins war zu diesem Zeitpunkt noch nicht die Rede, obwohl der Regierende Bürgermeister Willy Brandt ihn bereits 1961 eingeladen hatte.
Der Vorstoß Adenauers wurde angesichts der leichten Verstimmungen im deutsch-amerikanischen Verhältnis bezüglich des deutsch-französischen Freundschaftsvertrages mit Überraschung zur Kenntnis genommen. Adenauer wollte aber bewusst einen damit verbundenen Abstecher nach Berlin vermeiden, um dem SPD-Kanzlerkandidaten Brandt keine Möglichkeiten zur Profilierung zu geben. Am 21. März 1963 äußerte sich Kennedy jedoch im Rahmen der "News Conferece No. 52" auf die Frage eines Reporters nach einem möglichen Besuch Berlins:
„Ich hoffe, dass wenn ich nach Deutschland gehe, ich auch nach Berlin gehen werde…“
Das Verhältnis zwischen Kennedy und Adenauer war nicht unproblematisch. Sowohl altersmäßig als auch politisch waren die beiden weit voneinander entfernt. Adenauer war 1963 bereits 87 Jahre alt und gehörte zu jener Generation von Politikern, die in Amerika von Kennedy abgelöst worden waren. Schon als Kennedy noch Senator war und sich seine außenpolitische Haltung gerade erst herauszubilden begann, stand Adenauer in seinen Augen für eine überkommene Art der Politik. Die Haltung des Bundeskanzlers in der deutschen Frage erschien Kennedy als zu rigide und zu wenig flexibel angesichts der sich verändernden Verhältnisse in Europa. In einem 1957 in "Foreign Affairs" veröffentlichten Artikel bezeichnete Kennedy Adenauer deswegen als "shadow of the past". Kennedy’s Urteil war deutlich: „(…) the age of Adenauer is over.“
Im Gegensatz zu Adenauer stand Brandt Kennedy sehr viel näher. Wie Kennedy repräsentierte er eine neue Generation von Politikern, die auf Grund der sich verändernden weltpolitischen Lage die alten Lösungsansätze pragmatisch betrachteten. Immer wieder wurden zwischen Kennedy und Brandt Parallelen gezogen, vor allem in der deutschen Presse. Brandt war sich dessen durchaus bewusst und profitierte vom Image des deutschen Vertreters einer neuen Politikergeneration vom Schlage Kennedy’s. Auch rhetorisch und gedanklich orientierte er sich an Kennedy. Von der Regenbogenpresse wurde die Parallele zwischen den beiden Politikern sogar bis in das Privatleben bemüht: Brandt hatte - wie Kennedy - eine attraktive junge Ehefrau. Das Ehepaar Brandt symbolisierte in Deutschland, wenn auch in wesentlich bescheidenerem Ausmaß, etwas ähnliches wie die Kennedy’s in Amerika. Die gute Beziehung zu Kennedy kam Brandt bei der Planung der Kennedy-Reise zu Gute, und er begann sich - unabhängig von der Bundesregierung - für die Realisierung eines Berlin-Besuchs einzusetzen. Neben dem persönlichen Kontakt zu Kennedy nutzte er seine Beziehungen zur amerikanischen Berlin-Lobby, um Berlin als Besuchsziel durchzusetzen.
Durch die Machtkämpfe hinter den Kulissen stand Berlin erst drei Monate vor dem Europa-Besuch als Besuchsziel fest und die eigentliche Planung konnte beginnen.
Köln/Bonn - Sonntag, 23. Juni 1963
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Kennedy und sein Gefolge landeten um 9:50 Uhr auf dem Köln-Bonner Flughafen Wahn. Dort wurde er von Bundeskanzler Konrad Adenauer und einer politischen und militärischen Delegation sowie Mitarbeitern der amerikanischen Botschaft in Bonn begrüßt. Kennedy kam ohne seine Frau Jacqueline, da diese mit ihrem gemeinsamen Sohn Patrick hochschwanger war. Nach einer kurzen Begrüßungsrede setzte sich der Tross in Richtung Köln in Bewegung.
Köln - Sonntag, 23. Juni 1963
Um 10:55 Uhr wurde Präsident Kennedy im Kölner Rathaus von Oberbürgermeister, Bürgermeister und Oberstadtdirektor empfangen, wo er sich in das Goldene Buch der Stadt eintrug. Anschließend hielt er vor dem Rathaus eine Ansprache an die Kölner Bevölkerung.
Von 11.30 Uhr bis 12:00 Uhr nahm der Präsident an einer Messe im Kölner Dom teil.
In seinem aktuellen Buch schreibt der ehemalige Dolmetscher Kennedy’s Robert H. Lochner von seinen Beobachtungen während der Messe: " (...) Auch bekam ich zum Beispiel deutlich mit, auf einer Bank hinter Adenauer und ihm bei der Messe im Kölner Dom, welche Schmerzen ihm sein Rückenleiden bereitete, als er sich mehrfach hinkniete und dann wieder auf die Bank setzte."
Nach der Messe wurde der Präsident noch auf einen Rundgang durch den Dom geführt und beendete damit seinen Aufenthalt in Köln.
Bonn - Sonntag, 23. Juni 1963
Um 13:25 Uhr traf die Fahrzeugkolonne am Rathaus in Bonn ein, wo sich der Präsident ebenfalls in das Goldene Buch der Stadt eintrug. Auch hier hielt er im Anschluss eine kurze >Ansprache an die Bevölkerung, welche sich auf dem Marktplatz vor dem Rathaus versammelt hatte.
Von 13:45 Uhr bis 14:30 Uhr hielt sich der Präsident zusammen mit Kanzler Adenauer im Amtssitz des amerikanischen Gesandten Martin J. Hillenbrand auf. Danach trennten sich die Wege von Präsident und Kanzler.
Gegen 14:45 Uhr hielt Kennedy im American Community Theater (Plittersdorf Theater) eine Ansprache an die Mitarbeiter der amerikanischen Botschaft und kehrte anschließend zum Amtssitz Hillenbrands zurück, wo sich der Präsident bis zum Abend aufhielt.
Um 20:00 Uhr gab Kanzler Adenauer dann ein Dinner im Palais Schaumburg zu Ehren des Präsidenten mit einem anschließenden halbstündigen Empfang. Auch hier hielt Kennedy eine kurze Ansprache.
Gegen 22:30 Uhr begab sich Kennedy dann wieder zum Amtssitz Hillenbrands, wo er die Nacht verbrachte.
Bonn - Montag, 24. Juni 1963
Von 9:30 Uhr bis 11:30 Uhr traf sich Kennedy mit Adenauer und weiteren politischen Vertretern zu Gesprächen im Palais Schaumburg. Anschließend traf man sich mit Bundespräsident Heinrich Lübke zu Gesprächen in der Villa Hammerschmidt, dem damaligen Wohn- und Amtssitz des Bundespräsidenten. Zur Ansprache des Präsidenten vor dem frisch gegründeten Deutschen Friedenscorps waren auch die Außenminister der USA Dean Rusk und der Bundesrepublik Gerhard Schröder anwesend. Zwischen 13:15 Uhr und 14:50 Uhr fand dann dort noch ein Mittagessen mit einer kurzen Rede des Präsidenten statt.
Kennedy, Bundespräsident Heinrich Lübke, Bundeskanzler Konrad Adenauer, US-Außenminister Dean Rusk und Bundesaußenminister Gerhard Schröder vor der Villa Hammerschmidt in Bonn.
Gegen 15:00 Uhr folgte ein zweistündiges Meeting zwischen Kennedy, Adenauer und weiteren Vertretern beider Seiten im Palais Schaumburg. Anschließend fand eine Pressekonferenz im Außenministerium statt.
Gegen 18:20 Uhr erreichte Kennedy wieder den Amtssitz des amerikanischen Gesandten, wo er mit Vertretern der ehemals selbstständigen Stadt Bad Godesberg und später mit dem regierenden Bürgermeister von Berlin Willy Brandt zusammentraf.
Am Abend war dann Kennedy der Gastgeber in der amerikanischen Botschaft beim Empfang zu Ehren von Kanzler Adenauer. Nach einer Rede und dem anschließenden Abendessen kehrte der Präsident dann gegen 22:30 Uhr zum Amtssitz des amerikanischen Gesandten zurück.
Bonn - Dienstag, 25. Juni 1963
Um 9:20 Uhr fuhr der Präsident zusammen mit dem amerikanischen Botschafter George McGhee zum Hubschrauberlandeplatz in Plittersdorf. Dort traf er mit Vizekanzler Dr. Ludwig Erhard und Außenminister Gerhard Schröder zusammen, bevor er sich zur Fliegerhorst Kaserne nach Hanau fliegen ließ.
Hanau - Dienstag, 25. Juni 1963
John F. Kennedy bei der Abnahme einer Truppenparade auf dem Fliegerhorst in Hanau. Auf diesem Bild sieht man das Präsidentenfahrzeug, welches der Präsident in Europa dabei hatte. Es handelt sich um genau jenen Wagen, in dem Kennedy in Dallas erschossen wurde.
Um 10:25 Uhr traf Kennedy in der Kaserne in Hanau ein, wo er von einer amerikanischen Militärdelegation begrüßt wurde. Nach der Abnahme einer Truppenparade und einer Ansprache vor den Mitgliedern der 3. Armee Division nahm der Präsident um 12:15 Uhr zusammen mit einigen Offizieren und ausgewählten Soldaten der Einheit ein Mittagessen ein. Anschließend führte er noch abgeschirmte Gespräche mit den amerikanischen Generälen.
Gegen 14:00 Uhr verabschiedete sich Kennedy von den Militärgastgebern und fuhr im Auto zusammen mit Vizekanzler Erhard und dem hessischen Ministerpräsidenten Georg August Zinn nach Frankfurt.
Frankfurt - Dienstag, 25. Juni 1963
Um 15:15 Uhr traf der Konvoi am Frankfurter Rathaus ein, wo sich Kennedy in das Goldene Buch der Stadt eintrug und eine kurze Ansprache hielt. Um 16:00 Uhr hielt der Präsident eine weitere Ansprache vor den versammelten Bürgern auf dem Römerberg. Anschließend begab man sich in die Paulskirche in Frankfurt, wo der Präsident vor ca. 1.000 Gästen eine Rede hielt.
Gegen 17:35 Uhr setzte sich der Fahrzeugtross in Richtung Frankfurter Stadion in Bewegung, von wo aus Kennedy und verschiedene Begleiter deutscher und amerikanischer Seite wartende Hubschrauber bestiegen und um 18:05 Uhr in Richtung Wiesbaden abhoben.
Wiesbaden - Dienstag, 25. Juni 1963
Um 18:20 Uhr landete die Delegation auf dem östlichen Rasen des ehemaligen "General von Steuben Hotel" (heute: Dorint Pallas) in Wiesbaden. Bis 19:00 Uhr zogen sich dann Kennedy und Vizekanzler Erhard zu Gesprächen zurück. Anschließend bestiegen alle Teilnehmer die wartenden Fahrzeuge zur Fahrt in das Wiesbadener Kurhaus, wo der hessische Ministerpräsident Georg August Zinn um 19:45 Uhr einen Empfang zu Ehren des Präsidenten gab und dieser eine Rede hielt.
Um 20:20 Uhr begaben sich Kennedy und Erhard zurück in das Hotel, wo sich der Vizekanzler vom amerikanischen Präsidenten verabschiedete.
Wiesbaden - Mittwoch, 26. Juni 1963
Um 8:05 Uhr wurde Präsident Kennedy vom Commander der US-Air Force in Europa im Hotel abgeholt und zusammen fuhr man dann zur Air Base in Erbenheim bei Wiesbaden, wo sie gegen 8:30 Uhr ankamen. Hier verabschiedete sich dann der hessische Ministerpräsident von Kennedy und um 8:45 Uhr startete dieser mit der Air Force One in Richtung Berlin.
Berlin - Mittwoch, 26. Juni 1963
Um 9:45 Uhr landete die Air Force One mit dem amerikanischen Präsidenten und seiner Delegation auf dem militärischen Teil des Berliner Flughafens Tegel.
Neben Bundeskanzler Konrad Adenauer und dem Regierenden Bürgermeister von Berlin Willy Brandt waren auch die französischen und britischen Kommandanten der geteilten Stadt anwesend.
Kennedy nahm zunächst die Ehrengarde ab und antwortete dann kurz auf die freundlichen Begrüßungen der verschiedenen Delegationen, bevor sich die Fahrzeugkolonne in Richtung Kongresshalle in Bewegung setzte.
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Um 11:10 Uhr kam der Tross an der Kongresshalle an, wo Kennedy eine Ansprache vor dem sechsten Gewerkschaftskongress der "IG Bau Steine Erden" hielt. Anschließend wurde Kennedy zu einer von den Briten errichteten Aussichtsplattform am Brandenburger Tor gebracht, von wo er einen guten Ausblick auf die östliche Seite hatte. Da dieser jedoch auf ostdeutscher Seite von roten Tüchern am Brandenburger Tor versperrt war, wurde zur Erklärung eine Bildtafel an der Plattform für den Präsidenten angebracht.
Links: John F. Kennedy an der Berliner Mauer mit Blick auf das Brandenburger Tor.
Rechts: Der Präsident durchschreitet den Grenzübergang "Checkpoint Charlie"
Um 12:05 Uhr traf Kennedy am sogenannten "Checkpoint Charlie" ein. Hier befand sich mit dem Grenzübergang an der Berliner Friedrichstraße einer der bedeutendsten Punkte des "Kalten Krieges" zwischen Ost und West.
Danach fuhr man im offenen Fahrzeug weiter zum Schöneberger Rathaus, wo der Präsident um 12:50 Uhr ankam. Dort hielt Kennedy schließlich seine vielbeachtete "Ich bin ein Berliner…"-Rede vor ca. 450.000 jubelnden Menschen. Insgesamt hatten sich auf der Berliner Route des Präsidenten ca. 2 Millionen Menschen versammelt und machten so den Besuch Kennedy's zu einem wahren Triumphzug, der bis zum heutigen Tage unerreicht bleibt.
Links: Kennedy, Brandt und Adenauer auf der Fahrt durch die Straßen von Berlin. Hier ist wieder das Fahrzeug zu sehen, in dem der Präsident nur wenige Monate später erschossen wurde.
Rechts: Menschenansammlung vor dem Schöneberger Rathaus bei Kennedy’s Berlin-Rede.
Nach seiner Rede trug sich Kennedy auch hier in das Goldene Buch der Stadt ein und kam anschließend noch zu kurzen Gesprächen mit dem Berliner Kabinett zusammen, bevor um 13:30 Uhr ein Essen zu Ehren des Präsidenten im Rathaus stattfand, wo Kennedy erneut eine kleine Ansprache hielt.
Um 15:00 Uhr begab sich die Delegation dann zur Freien Universität Berlin, wo Kennedy die Ehrenbürgerwürde der Stadt Berlin verliehen wurde. Anschließend hielt er eine Rede vor den Leitern und Studenten der Universität.
Um 16:00 Uhr begab sich Kennedy dann zum Hauptquartier der amerikanischen Truppen in der Clayallee, wo er nochmals kurz das Wort an die amerikanischen Truppen richtete.
Anschließend fuhr der Präsident weiter zum Flughafen Tegel, wo er nach der Verabschiedung durch Kanzler Adenauer und dem Regierenden Bürgermeister Brandt schließlich um 17:15 Uhr nach Irland abhob.
Der Berlin-Besuch in den Medien
Sowohl in der West- als auch in der Ostberliner Presse war die Berichterstattung über den Kennedy-Besuch in Deutschland und insbesondere in Berlin sehr ausführlich - bereits kurze Zeit später wurde sie auch Gegenstand wissenschaftlicher Arbeiten. Zwischen dem 11. Juni und dem 7. Juli 1963 erschienen in den drei großen Westberliner Zeitungen "Der Tagesspiegel", "Berliner Morgenpost" und "Telegraf" insgesamt 315 Artikel über den Kennedy- Besuch. Insgesamt erschienen alleine in diesen drei Zeitungen 457 Texte, 143 Fotos, 25 Karrikaturen und 5 Zeichnungen über Kennedy.
Die Superlativen des Kennedy-Besuchs lassen sich auch an der Fernseh-Berichterstattung erkennen. ARD und ZDF berichteten am 26. Juni in einer insgesamt sechsstündigen Direktübertragung vom Präsidentenbesuch, zusammen mit der Sonderberichterstattung wurden dem Besuch 15 Stunden Sendezeit gewidmet. Der technische Aufwand der dafür betrieben werden musste, war enorm. Mehr als 30 Übertragungskameras auf Kränen, Häuserdächern und Autos sowie eine drahtlose Kamera wurden eingesetzt. In einem kleinen Vorspann zur eigentlichen Berichterstattung wurde die Übertragung und die verwendete Technik beschrieben. Nicht ohne Stolz wurde dabei mehrmals auf die verwendete drahtlose Kamera, damals "State-of-the-Art" der Übertragungstechnik, hingewiesen.
Der Berlin-Besuch des Präsidenten war zweifelslos der Höhepunkt seiner Europareise und sorgte für weltweite Aufmerksamkeit. Die riesigen Menschenmengen und der enthusiastische Zuspruch, welcher dem Präsidenten zuteil wurde, war nicht nur für damalige Verhältnisse mehr als beeindruckend.
Beim Empfang im Wiesbadener Kurhaus sagte Präsident Kennedy: "Wenn ich einmal das Weiße Haus verlasse, dann wird mein Nachfolger einen Brief in meinem Schreibtisch finden mit der Aufschrift Nur in Augenblicken tiefster Depression zu öffnen! In diesem Brief stehen nur drei Worte: Besuchen Sie Deutschland!"
Später, noch während des Abfluges aus Deutschland, meinte ein bewegter Kennedy zu einem seiner engsten Berater: "So einen Tag wie heute werden wir nie mehr erleben."