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Eunice Kennedy Shriver – ein Leben für Amerika

Chefredakteurin ICON
Höhere Tochter heißt bei den Kennedys nicht verwöhnte Tochter. Das galt auch für JFKs Schwester. George W. Bush sagte einmal über Eunice Kennedy: „Falls Sie sich je gefragt haben, was eine einzelne Person zu leisten vermag, dann schauen Sie auf diese Dame." Wie Recht er hatte.

Es war damit zu rechnen, es ging ihr schon eine ganze Zeit lang nicht gut, und doch blieb immer Hoffnung. So oft schon hatte ihr starker Wille über den Körper gesiegt, doch am Dienstag um zwei Uhr in der Früh starb Eunice Kennedy-Shriver mit 88 Jahren im Cape Cod Krankenhaus an ihrem liebsten Ferienort in Hyannis.

Ihr angegriffenes Herz hörte schließlich doch auf zu schlagen. Dieses Mal für immer. Schon einmal vor Jahren hatte sich die Familie versammelt, weil nach einem schweren Autounfall das Ende nahte, ein Priester stand für die gläubige Katholikin bereit, doch Mrs. Shriver hatte für Sentimentalitäten und Verletzungen nichts übrig.

Sie müsse jetzt mal nach Hause, verkündete sie den erstaunten Ärzten, Schwestern und Angehörigen. Es gäbe schließlich sehr viel zu tun. Selbstverständlich verließ sie kurze Zeit danach das Krankenhaus. Und tat viel. So eine war Eunice nämlich, die beeindruckendste Frau, die ich kennengelernt habe. Und wahrscheinlich die Nachhaltigste von allen Kennedys.

Sie war die Schwester von John F. und von Robert und von Ted, der gerade gegen eine lebensbedrohliche Tumorerkrankung kämpft. Aber eben auch von Rosemary, die ihr Leben mehr prägte als die mächtigen Brüder und der strenge Vater.

Eunice selbst war aus dem Holz geschnitzt, das dem alten Joe Kennedy gefiel, sportlich, belastbar, charismatisch, zäh und zielorientiert, eine perfekte Wahlkämpferin und ein heller Geist. Es gibt kaum Zweifel darüber, dass Eunice selbst das Zeug zur Präsidentin hatte. Doch das war in den 60er-Jahren natürlich nicht einmal eine Überlegung wert. An Einfluss mangelte es ihr gleichwohl nicht.

So überzeugte sie John F., dass es höchste Zeit sei, endlich Menschen mit Behinderung in den USA anzuerkennen, dafür zu sorgen, dass sie Rechte hätten wie jeder andere Amerikaner. Kennedy war der erste Präsident, der einen Behinderten im Weißen Haus empfing. Und es war Eunice, die dafür sorgte.

Schließlich wussten die Geschwister ganz genau, worum es ging, Schwester Rosemary war behindert, ständig auf Hilfe angewiesen. Die Bindung besonders zu Eunice war sehr eng, die Schwestern unternahmen Reisen nach Europa, gingen segeln und mit den Brüdern tanzen.

„Man kann nicht abhauen, nur weil jemand behindert ist. Man muss ihn fördern“, sagte Eunice häufig. Und das klang bei ihr nicht wie eine Hoffnung, sondern wie eine Anordnung. Und so initiierte sie zahlreiche Aktivitäten, Institutionen und wissenschaftliche Arbeiten zur Verbesserung der Lebenssituation von Behinderten, ganz besonders der geistig behinderten Menschen.

Im Sommer 1962 etwa beklagten Mütter, dass sie für ihre behinderten Kinder keine Sommercamp-Plätze bekommen würden. Mit jedem Gespräch wurde Eunice ärgerlicher und sagte schließlich: „In einem Monat beginnt ein Camp in meinem Garten. Jeden Tag von neun bis drei. Bringen Sie Ihr Kind her.“ Das war der Anfang der mittlerweile längst weltumspannenden Special Olympics.

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Sozialer Dienst war die Berufung der Stanford-Absolventin, so wie die politische Unterstützerarbeit für die Brüder. Ständig wurde ja im Hause Kennedy über Politik geredet. Eunice reiste viel, diskutierte viel, kümmerte sich um Kriegsgeschädigte, leitete die Resozialisierungsabteilung für jugendliche Straftäter im Justizministerium, war Sozialarbeiterin in einem Frauengefängnis und betreute jugendliche Obdachlose und Kriminelle. Höhere Tochter bedeutet bei den Kennedys nicht verwöhnte Tochter.

Im Wohnzimmer ihres großen, gemütlichen Hauses in einem Vorort von Washington steht ein Foto von ihr als Braut am Arm des stolzen Vaters. „Sargie“, wie Eunice ihren Mann nannte, mit dem sie mehr als 60 Jahren ihre Gedanken teilte, gehört wahrscheinlich zu den unbekanntesten wichtigsten Männern Amerikas.

Sargent Shriver, Anwalt und Journalist, mehrte als Kaufmann das Vermögen seines Schwiegervaters und machte auch sein eigenes. Er führte die „Talentschmiede“, aus der JFK sein Kabinett zusammenstellte, initiierte und leitete das „Peace Corps“, in dessen Namen junge Leute ehrenamtlich weltweit soziale Dienste leisten, war Botschafter und gründete zahlreiche Organisationen, um die Lebensumstände und die Bildung von armen Menschen zu verbessern, und er unterstützte seine Frau bei den Special Olympics.

Ein starker Mann für eine starke Frau. Wie er den Tod seiner Frau verkraftet? Seit einigen Jahren lebt er in seiner Alzheimer-Welt.

Nichts an Eunice Kennedy-Shriver war unecht. Nicht ihr Wesen, nicht ihr Äußeres. Sie versuchte nicht zu gefallen, sondern machte, was sie wollte. Ihr wurde schon zu Lebzeiten eine Münze gewidmet, und sie erfuhr wohl jede Ehrung, die Land, Leute, Institutionen und Universitäten zu vergeben haben. Das bedeutete ihr etwas, aber nicht so viel wie der Inhalt ihrer Arbeit, und schon gar nichts reicht an die Familie heran, ihre fünf Kinder, die Enkel, der Clan.

So zart und kränklich ihr Körper immer war, so groß war ihre Energie. George Bush sagte beim Dinner zu ihrem 80. Geburtstag im Weißen Haus: „Falls Sie sich je gefragt haben, was eine einzelne Person zu leisten vermag, dann schauen Sie auf diese Dame.“

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