WELTGo!
Journalismus neu erleben und produktiver werden
Ihr Assistent Journalismus neu erleben und produktiver werden
WELTGO! ENTDECKEN
  1. Home
  2. Geschichte
  3. Kennedy-Attentat: Digitale Zeitreise zu den Attentaten von Dallas

Geschichte Kennedy-Attentat

Digitale Zeitreise zu den Attentaten von Dallas

Mehr als 11.000 Seiten Polizeiakten über die Morde an John F. Kennedy und seinen Attentäter können jetzt online eingesehen werden. Die Fotos bieten eindrucksvolle Perspektiven des Tatorts.
So bereitete die Warren Commission 1967 eine Kugel aus, die aus Lee Harvey Oswalds Gewehr stammte. 11.406 einzelne Dokumente, darunter 1086 Fotos, hat die University of North Texas jetzt ins Internet gestellt So bereitete die Warren Commission 1967 eine Kugel aus, die aus Lee Harvey Oswalds Gewehr stammte. 11.406 einzelne Dokumente, darunter 1086 Fotos, hat die University of North Texas jetzt ins Internet gestellt
So bereitete die Warren Commission 1967 eine Kugel auf, die aus Lee Harvey Oswalds Gewehr stammte. 11.406 einzelne Dokumente, darunter 1086 Fotos, hat die University of North Texas... jetzt ins Internet gestellt
Quelle: picture alliance / AP Photo

8,4 Sekunden bis zur Ewigkeit. So lange (oder kurz) dauert es am 22. November 1963 vom ersten Fehlschuss auf John F. Kennedy bis zum fatalen Treffer in den Kopf des Präsidenten. 8,4 Sekunden brauchte Lee Harvey Oswald, um zweimal das robuste Repetiergewehr vom Typ „Mannlicher“ nachzuladen, sorgfältig zu zielen und abzudrücken.

Unendlich viele Spekulationen umranken den Mord von Dallas, und je weiter das Attentat zurückliegt, desto mehr gibt es. Daran wird sicher auch die Initiative der University of North Texas wenig ändern. Die Hochschule hat in Kooperation mit dem Stadtarchiv Dallas die Polizeiakten zum Mordfall Kennedy digitalisiert und online gestellt.

Insgesamt handelt es sich um 11.406 einzelne Dokumente, darunter 1086 Fotos. Allerdings befinden sich einige Motive doppelt, manche sogar dreifach in dem Konvolut. Um dem Verdacht entgegenzuwirken, etwas würde vertuscht, wurde dennoch das gesamte Material gescannt. Der Gesamtaufwand für die Digitalisierung betrug 21.945 US-Dollar (ca. 16.300 Euro).

Völlig neu ist wenig von dem Material, denn der allergrößte Teil der Polizeiakten stand bereits der Warren Commission zur Verfügung, die den Mord an Kennedy im Auftrag seines Nachfolger Lyndon B. Johnson aufklären sollte. Ihr Bericht ist, trotz außerpolitischer Rücksichtnahmen etwa zum Thema Kuba, bis heute die seriöseste Untersuchung des Attentats.

Der fünfte Stock des Schulbuchlagers

Dennoch macht es einen Unterschied, die Beweisstücke direkt anzusehen, die in den Bericht nur indirekt eingeflossen sind. Die Unmittelbarkeit erschwert es, in den Beweisen die Produkte einer riesigen „Verschwörung“ zu sehen, die innerhalb weniger Tage nach dem Mord Tausende Dokumente „fabriziert“ hätte. Unbemerkt von allen Journalisten und ohne dass je ein „Whistleblower“ etwas verraten haben sollte.

John Slate, der verantwortliche Stadtarchivar von Dallas, zeigte sich erfreut, mit der University of North Texas einen Partner gefunden zu haben, mit dem zusammen die Dokumente recherchierbar gemacht werden konnten. „Die Originale zu bewahren und den Gebrauch von Primärmaterial in der Forschung voranzutreiben“ sei wichtig, betonte Slate.

Allein die Fotoserie vom Tatort selbst, dem sechsten (nach europäischer Zählweise dem fünftem) Stock des Schulbuchlagers an der Dealey Plaza zeigt, dass hier ein einzelner Täter am Werke war. Kein „Bühnenbilder“ und kein „Geheimagent“ hat die Szenerie gestaltet, wie bei Verschwörungstheoretikern mitunter zu lesen ist.

Auch umfassen die Polizeiakten nicht nur die Ermittlungsergebnisse zum Mord an Kennedy, sondern ebenso das Material über den zweiten Mord von Lee Harvey Oswald an diesem Tag, an dem Polizisten J. D. Tippit, der ihn kontrollieren wollte. Die Festnahme des Doppelmörders in einem Kino in Dallas-Süd ist ebenso dokumentiert wie das, für sich betrachtet, äußerst verdächtige Ende des Verdächtigen.

Geraune der Verschwörungstheoretiker

Zwei Tagen nach den fatalen Schüssen auf Kennedy wurde Lee Harvey Oswald von Polizisten in die Tiefgarage des Polizeipräsidiums von Dallas geführt, um ins Staatsgefängnis transportiert zu werden. Dort wartete Jack Ruby auf ihn, Besitzer eines kleinen Nachtklubs, und schoss inmitten von Dutzenden Journalisten und anderen Augenzeugen auf Oswald. Dieser war der wohl einzige Attentäter der Weltgeschichte, der durch ein Attentat ums Leben kam.

Anzeige

Auf der Website des Texas History Project ist die gesamte Fotoserie zu sehen, die Jack Beers am 24. November 1963 für die „Dallas Morning News“ machte, außerdem einige Aufnahmen seines Reporterkollegen Bob Jackson vom „Dallas Times Herald“. Allerdings sind diese Aufnahmen aus Gründen des Copyrights nur für private und wissenschaftliche Nutzung freigegeben.

Gewiss wird auch die vollständige Digitalisierung der Polizeiakten das Geraune der Verschwörungstheoretiker nicht zum Verstummen bringen. Aber es widerlegt doch viele der falschen Behauptungen, der Verkürzungen und vorsätzlichen Fehlinterpretationen, auf denen die vermeintlichen „Enthüllungen“ beruhen.

Die Wirklichkeit, das zeigt das Material deutlich, war viel einfacher und zugleich viel schwerer zu verstehen: Lee Harvey Oswald war ein Einzeltäter, der durch eine höchst unglückliche Verkettung von Umständen die Gelegenheit bekam, auf John F. Kennedy zu schießen. Er nutzte sie.

Mehr aus dem Web
Neues aus der Redaktion
Auch interessant
Mehr zum Thema