Der mutmaßliche Mörder Lee Harvey Oswald verbrachte die Nacht vor dem Anschlag auf den US-Präsidenten in einem unscheinbaren Haus. Zum 50. Jahrestag eröffnet es als Museum.

Irving. In dem kleinen Hause in Irving, einem Vorort von Dallas, sieht alles genauso aus wie am 22. November 1963: In der Küche liegen die Babyfläschchen und das Abtropfgestell auf der Arbeitsplatte, im Wohnzimmer die verstreuten Spielsachen. Und in der Garage liegt aufgerollt die Decke, in der Lee Harvey Oswald das Gewehr aufbewahrte, mit dem er vor 50 Jahren mutmaßlich US-Präsident John F. Kennedy erschoss.

Das Haus mit den zwei Schlafzimmern gehörte einst Ruth Paine, einer Freundin von Oswalds russischer Ehefrau. Sie lud Marina Oswald nach der Trennung von ihrem Mann ein, mit ihren beiden kleinen Töchtern bei ihr zu wohnen.

Zum Jahrestag der Ermordung Kennedys ist das Gebäude, das die Stadt nun als Ruth Paine House Museum betreibt, erstmals der Öffentlichkeit zugänglich.

„Die ganze Geschichte ist heute irgendwie gewaltig“, erklärt der Archivar von Irving, Kevin Kendro. „Es begann hier in einem kleinen Haus, in dem gewöhnliche Dinge geschahen.“ Am Abend vor Kennedys Ermordung kam Oswald überraschend zu Besuch.

Normalerweise sah er seine Familie nur an den Wochenenden. Als er am Morgen des 22. Novembers wieder ging, hatte er den Ermittlern zufolge ein in braunes Papier eingewickeltes Paket dabei, in dem sich das zerlegte Gewehr befand.

An dem Tag wuschen Marina Oswald und Ruth Paine die Wäsche und kümmerten sich wie immer um ihre Kinder, während sie sich im Fernsehen Berichte über den Besuch des Präsidenten in Dallas anschauten. Einige Stunden nach dem Attentat „klopfte die Polizei an ihre Tür, und ihre Leben änderten sich danach für immer“, erklärte Kendro. Ruth Paine ist heute 81 Jahre alt und lebt in Kalifornien. Sie besuchte am Montag ihr altes Haus und sagte, die restaurierten Zimmer und besonders die alte Waschmaschine hätten sie zu Tränen gerührt. „Wir haben viel Zeit mit Wäschewaschen verbracht“, erinnerte sie sich an die Zeit mit ihrer Freundin, die sie im Februar 1963 kennenlernte.

Das 116 Quadratmeter große Haus versetzt die Besucher zurück in eine alte Zeit. In einigen Räumen zeigen Projektionen auf Glaswänden Schauspieler, die Szenen von damals nachstellen. So ist zu sehen, wie ein Polizist zunächst Paine fragt, ob Lee Harvey Oswald eine Waffe besitze. Sie verneint und übersetzt die Frage dann für Marina ins Russische. Paine ist bestürzt, als Marina angibt, ihr Mann habe eine Waffe und bewahre sie unter einer Decke in der Garage auf.

Paine lebte bis 1966 in dem Haus. Danach wechselte es mehrfach den Besitzer, bevor die Stadt es 2009 schließlich kaufte. Nachdem der Vertrag mit dem Mieter 2011 ausgelaufen war, begann die Stadt mit der Restaurierung des Gebäudes. Mitarbeiter sichteten Hunderte Fotos: von Paine, aus Zeitschriften und von der Untersuchungskommission, die zum Anschlag auf den Präsidenten ermittelte. Sie suchten Einrichtungsgegenstände, die denen auf den Bildern möglichst ähnlich sehen sollten.

Die Einbauküche aus faserigem Kiefernholz blieb über die Jahrzehnte unverändert. Und ein Original-Stück wurde zurück ins Haus gebracht: die Lautsprecherboxen, die Paines Ehemann gehörten. Von ihm hatte sie sich zu dem Zeitpunkt, als Marina Oswald einzog, schon im Einvernehmen getrennt.

Die Besuchertouren beginnen in der Bibliothek von Irving, wo unter anderem Interviews mit Paine gezeigt werden. Auch Dokumente sind ausgestellt, darunter ein Brief von Ruth Paine, die Marina Oswald zum Abendessen einlädt. Danach fahren die Besucher mit einem Kleinbus zum nahegelegenen Haus. Eine große Eiche steht noch in dem Vorgarten, unter der Lee Harvey Oswald mit seiner 21 Monate alten Tochter June spielte – am Abend vor der Ermordung Kennedys.