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Wirbel um US-Fernsehserie Kennedy-Fans wittern TV-Rufmord

Eine Fernsehserie über die Kennedy-Familie sorgt für Furore in den USA - noch bevor der Dreh begonnen hat. Hinter dem Projekt steckt der konservative Produzent Joel Surnow, Erfinder der umstrittenen Thrillerserie "24". Kritiker fürchten, dass er den Mythos des Polit-Clans besudelt.
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Kennedy-Serie: Propaganda? Mythos-Schändung?

Foto: AP

Thriller-Serie "24"

In Joel Surnows Büro im kalifornischen San Fernando Valley hängt ein Sternenbanner. Die Flagge hat Historie: Sie wehte zuvor über Bagdad, nach der US-Invasion von 2003. Und sie ist ein Geschenk von Frontsoldaten, die Surnow für seine martialische verehren. "Das Militär liebt unsere Show", sagte der Autor und Fernsehproduzent dem "New Yorker" einmal. "Sie ist patriotisch."

Vor zwei Jahren verließ Surnow das "24"-Team, um sich "anderen Herausforderungen" zu stellen. Inzwischen weiß man, was er damit meinte: Surnow produziert eine monumentale, achtstündige TV-Serie über den Kennedy-Clan, inszeniert als Fernsehspiel. Und damit beginnt der Ärger auch schon - elf Monate vor der geplanten Ausstrahlung.

Surnow ist als konservativer Aktivist bekannt. Er spendete Geld für George W. Bush und ist gut mit dem rechten Radio-Polemiker Rush Limbaugh befreundet. Viele Republikaner bekannten sich öffentlich als Fans von "24", einer Serie, die streckenweise Folter als politische Praxis verherrlicht.

Es dauerte also nicht lange, bis das Kennedy-Lager auf Surnows neues Projekt aufmerksam wurde. Ein Konservativer, der sich die Urfamilie der Linken vorknöpft? Das kann nicht gutgehen.

Die Kritiker fürchten um ihr Idol und wollen die Ausstrahlung der Serie verhindern, obwohl noch keine Sekunde gefilmt ist. Nicht mal die Besetzung steht. Es handele sich um "politischen Rufmord der niedrigsten Art", schimpft der prominente Dokumentarfilmer Robert Greenwald, der eine Version des Drehbuchs gelesen hat und sich an die Spitze der Proteste setzte. "Noch nie habe ich so etwas Verzerrtes und mit Propaganda Vollgestopftes gelesen, das einem als historische Wahrheit verkauft wird."

Der Mythos lebt

John F. Kennedy

Bruder Ted

Der Streit zeigt, wie emotional aufgeladen die Causa Kennedy bei den Amerikanern bis heute ist - mehr als 47 Jahre nach dem Mord an und ein halbes Jahr nach dem Tod von dessen , des "Löwen des Senats" . Vorige Woche kündigte Teds Sohn Patrick an, sich als letzter Kennedy aus dem US-Kongress zurückzuziehen. Die politische Dynastie ist am Ende - doch der Mythos lebt für viele offenbar weiter.

Eben diesen Mythos sehen viele Kennedy-Fans nun in Gefahr. Surnow entwickelte "The Kennedys" mit Ex-Kollegen von "24" und der Filmfirma Muse Entertainment. Gekauft hat die Serie der US-Kabelkanal History der Sendergruppe A&E, ein Joint Venture der Medienkonzerne Hearst, Disney und NBC Universal. "Die Kennedy-Familie hat unsere Zuschauer schon immer fasziniert", freut sich History-Chefin Nancy Dubuc. Es ist die erste eigene Drehbuchproduktion des Senders, eine "dramatisierte" Vergangenheitsbewältigung, passend zum 50. Jahrestag der JFK-Vereidigung im Januar 2011.

Als Regisseur wurde "24"-Veteran Jon Cassar angeheuert, als Drehbuchautor Stephen Kronish, ebenfalls ein alter Bekannter aus der "24"-Truppe, der sich als "linksliberaler Demokrat" bezeichnet. Trotzdem haben die bisherigen Erklärungen der Schöpfer zu ihrem Projekt, dessen Budget sich auf 30 Millionen Dollar belaufen soll, die Kennedy-Loyalisten sofort aufschrecken lassen.

"Rachsüchtig, böswillig"

Im Mittelpunkt der Serie, die mit Kennedys Amtsantritt 1960 beginnt und dem Mord an Robert F. Kennedy 1968 endet, stehen demnach "die Kennedy-Brüder und ihre Beziehungen untereinander, mit ihrem Vater Joe und ihren Ehefrauen". Die "Enthüllungen" würden auch "die schmutzigen und korrupten Schritte" nachzeichnen, die den Clan ins Weiße Haus gebracht hätten. Nichts bleibe dabei ausgespart: die Kuba-Krise, die Schweinebucht-Invasion, die Mafia-Connections der Kennedys.

Die Familie selbst hat an dem Drehbuch verständlicherweise nicht mitgewirkt. Das Script, so berichten es jene, die es gelesen haben wollen, weise jedenfalls auffallende Parallelen zum "Paten" auf, Francis Ford Coppolas legendärem Mafia-Epos.

Daran stößt sich vor allem auch Ted Sorensen, 81, seinerzeit Kennedys Top-Redenschreiber und einer der engsten Berater. "Dieses einseitige, rechtslastige Drehbuch leidet an einem rachsüchtigen, böswilligen Ansatz", sagt er. "Keine einzige Unterhaltung mit dem Präsidenten im Oval Office oder anderswo, an der ich nach Darstellung des Drehbuchs teilnahm, hat stattgefunden."

Auch Nigel Hamilton, der 1992 eine eigene kritische Biografie Kennedys schrieb ("Wilde Jugend - Leben und Tod eines amerikanischen Präsidenten"), hält die Version of JFK, die in diesem Drehbuch vorgestellt werde, für "Unsinn". Kennedy werde als Sexsüchtiger porträtiert: "Das hat mit Geschichte nichts mehr zu tun."

Video contra Serie

Greenwald, der unter anderem streitbare Filme über den konservativen Kabelsender Fox News und den Irak-Krieg drehte, hat die kritischen Stimmen in einem zwölfminütigen Web-Video  gesammelt, mit dem er eine Petition gegen die Serie anstrengt. Denn die "erniedrige" die Kennedys, mache sie zu "ekelhaften Figuren".

Darüber hinaus moniert Greenwald viele Sachfehler, etwa die im Drehbuch zitierten Umfragen am Wahltag, die sogenannten Exit Polls, von 1960 - eine Methode, die in Wahrheit erstmals 1967 angewandt wurde. Eine Szene, derzufolge Kennedy die Idee für die Berliner Mauer gehabt habe, sei ebenso erfunden wie eine, in der JFK-Vater Joe Kennedy ein Kruzifix über seinem Knie zerbreche. Auch enthalte das Drehbuch mehr als ein Dutzend fiktiver Sexszenen.

Die Produzenten verteidigen sich: Das Script, auf das sich Greenwald berufe, sei eine alte Fassung. Autor Kronish versichert, alle "privaten" Szenen seien verbürgt. Obwohl die Serie keine Dokumentation sei, sondern eine "Dramatisierung", werde jedes Detail geprüft. "Ich wollte weder einen Liebesbrief schreiben", sagte Kronish dem Branchenblatt "Hollywood Reporter", "noch einen Verriss". Das Ergebnis, glaube er, sei "recht unparteiisch" geworden.

Der Zank erinnert an eine frühere Kontroverse um eine TV-Serie über Ex-Präsident Ronald Reagan, die 2003 auf CBS laufen sollte. Damals waren es die Konservativen, die Sturm liefen: Reagan werde in einem schlechten Licht dargestellt. CBS verzichtete daraufhin auf die Ausstrahlung. Die Serie fand sich schließlich beim Bezahlsender Showtime wieder - zensiert.