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Geschichte Attentat auf Kennedy

Wie starb JFK wirklich? Fünf Mythen im Faktencheck

Mafia, CIA, Militärs: Für Verschwörungstheoretiker gehört die Ermordung von US-Präsident John F. Kennedy zu den Sternstunden, in der sich fünf Mythen vereinen. Was aber ist die Wahrheit dahinter?
Freier Autor

Neunzig Prozent der Amerikaner glauben, dass John F. Kennedy Opfer einer irgendwie gearteten Verschwörung war, dass sein Mörder Lee Harvey Oswald nicht allein handelte. Diese Vermutungen und Gerüchte halten sich diesseits des Atlantiks ebenso hartnäckig, gerade auch hierzulande. Denn die Vorstellung, der mächtigste Mann der Welt sei gestorben, weil der falsche Mann zur falschen Zeit am falschen Ort war, widerspricht dem tiefen Bedürfnis, in der Geschichte und im Leben mehr zu finden als dumme Zufälle.

Alle ernst zu nehmenden Verschwörungstheorien – falls das nicht ein Oxymoron ist – beruhen auf fünf Mythen über den Kennedy-Mord, die oft selbst von ansonsten kritischen Leuten völlig unkritisch übernommen werden. Grund genug, diese kolportierten Pseudo-Wahrheiten einmal einem Faktencheck zu unterziehen.

Erster Mythos: Es gibt keine Beweise ...

... die Oswald mit dem Mord an JFK verbinden.

Im Gegenteil. Es gibt viele erdrückende Beweise und noch mehr Hinweise. Hier sind nur zwölf:

Erstens das bei einem Versandhaus bestellte Gewehr, das Oswald laut seiner Ehefrau Marina in ihrer Garage versteckt hielt und das er am Morgen des Attentats in Packpapier gewickelt zur Arbeit mitnahm. Zweitens Oswalds Handabdrücke auf dem Packpapier und dem Gewehr. Drittens die drei Kugeln, die aus seinem Gewehr stammen. Partikel dieser Kugeln sind in Kennedys Leiche und dem Körper des ebenfalls angeschossenen texanischen Gouverneurs John Connally gefunden worden.

Viertens die Analyse der Wunden Kennedys, die zeigt, dass er von hinten – und nur von hinten – erschossen wurde. Fünftens der von Oswald gebaute Schützenstand im 6. Stock der School Book Depository, in dem nach dem Attentat sein Gewehr gefunden wurde. Sechstens die Zeugen, die ihn entweder kurz vor der Tat am Fenster gesehen haben oder – wie zwei Zeugen im 5. Stock – die Patronenhülsen auf den Boden fallen hörten.

Siebtens die Tatsache, dass Oswald als Einziger nach dem Attentat seinen Arbeitsplatz verließ, dass er nach Hause fuhr und seine Pistole holte. Achtens die Tatsache, dass er auf der Flucht – wie von mehreren Zeugen gesehen – mit dieser Pistole einen Polizisten erschoss und sich gewaltsam seiner Festnahme widersetzte. Neuntens sein merkwürdiges Verhalten am Morgen des Attentats, als er seiner Frau seinen Ehering, sein ganzes Geld und eine Anweisung hinterließ, was sie im Falle seiner Festnahme tun solle.

Zehntens sein vorangehender Versuch, mit seinem Versandhausgewehr den rechtsradikalen General Walker zu ermorden. Elftens sein Verhalten beim Polizeiverhör, wo er trotz der Enormität des ihm zur Last gelegten Verbrechens gefasst wirkte. Zwölftens das Motiv: Oswalds durch seine eigenen Schriften und Aussagen bezeugter radikaler Marxismus, sein Wunsch, als militanter Revolutionär Fidel Castro zu imponieren und durch eine historische Tat eine Art Unsterblichkeit zu erlangen.

Zweiter Mythos: Oswald kann nicht allein ...

... die drei Schüsse in der kurzen Zeit abgegeben haben. Es muss also mehr als einen Schützen gegeben haben. Es gab ja auch mindestens vier Schüsse, und JFK wurde von vorn getroffen.

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Widerlegt. Oswald hatte bei den Marines den Titel eines Scharfschützen erlangt. Ein Scharfschütze muss Ziele etwa von der Größe des Kopfes von JFK auf 500 Meter treffen können. Oswalds Ziel bewegte sich langsam, etwa 50 bis 80 Meter von ihm entfernt. Polizeischützen, die mit Oswalds Gewehr die Szene nachstellten, erzielten durchweg genauso gute oder bessere Trefferquoten in der gleichen Zeit. Schließlich hat Oswald bei drei Schüssen einmal völlig danebengeschossen, einmal Kennedy nicht tödlich am Hals verwundet und erst mit dem letzten Schuss den Präsidenten tödlich am Hinterkopf getroffen.

Was den angeblichen zweiten Schützen angeht, so hat erstens die überwältigende Mehrheit der Zeugen vor Ort nur drei Schüsse gehört, die sie zweitens aus der Richtung des School Book Depository orteten. Der angebliche akustische Beweis für einen vierten Schuss, der noch 1976 einen Untersuchungsausschuss des Kongresses in die Irre führte, ist – drittens – längst als wertlos entlarvt worden. Es handelt sich um ein Polizeitonband, das nachweislich nicht die Zeitspanne des Attentats wiedergibt. Außerdem sind – viertens – nie Kugeln aus einem anderen Gewehr irgendwo am Ort des Attentats gefunden worden.

Wenn es einen zweiten Schützen gab, so hat sich dessen Kugel in Luft aufgelöst. Und was die sogenannte „magische Kugel“ betrifft, die Kennedys Hals durchschlug und anschließend Gouverneur Connally am Handgelenk und im Bein traf, so ist – fünftens – deren Bahn nur „magisch“, wenn man Connally nicht dort sitzen lässt, wo er tatsächlich saß, nämlich, vom Schützen aus gesehen, links vor dem Präsidenten. Die Einschusswunde in Kennedys Rücken und die Verletzungen am Schädel sind – sechstens – unvereinbar mit einem Schuss von vorn. Kurzum: Es gab nur einen Schützen. Er feuerte drei Schüsse von hinten und oben. Einer war tödlich.

Dritter Mythos: Jack Ruby tötete Oswald ...

... um ihn zum Schweigen zu bringen.

Unsinn. Wenn die angeblichen Verschwörer Oswald zum Schweigen bringen wollten, hätten sie das gleich nach der Tat erledigt. Man hätte Oswald abgeholt und entweder in Sicherheit gebracht oder getötet. Stattdessen sollen sie bis zum dritten Tag nach dem Attentat gewartet haben? Hätte Oswald den Behörden irgendetwas über eine Verschwörung verraten wollen, so hätte er es in dieser Zeit ja längst getan haben können.

Und hätte Jack Ruby den Auftrag gehabt, Oswald zum Schweigen zu bringen, so hätte auch er das gleich nach dem Attentat im Polizeigebäude umsetzen können, wo er sich – mit einer Pistole bewaffnet – frei bewegen konnte und auf vielen Fotos zu erkennen ist. Außerdem wäre es aus Sicht einer Verschwörergruppe, die verhindern will, dass eines ihrer Mitglieder – nämlich Oswald – in Polizeigewahrsam bleibt und womöglich aussagt, höchst unlogisch, ein weiteres Mitglied vorzuschicken, das durch seine Tat überhaupt erst den Verdacht einer Verschwörung aufkommen ließ.

Einen Mann zudem, der in der gesamten Stadt als Plappermaul und Angeber galt und der ein Geheimnis nicht länger als drei Sekunden für sich behalten konnte. Ruby war auch nicht, wie kolportiert wird, Mitglied oder Handlanger der Mafia. Er war ein mäßig ehrlicher Nachtklubbesitzer. Was also war Rubys Motiv?

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Wie Oswald war er ein einsamer Mensch mit einer übertriebenen Vorstellung seiner eigenen Bedeutung. Er glaubte, seine Tat würde ihn zum Helden machen. Darüber hinaus hatte er paranoid-psychotische Züge. Jack Ruby – geborener Rubinstein – war Jude und glaubte, der Kennedy-Mord würde das Fanal zu einem Pogrom gegen die Juden sein, den nur er durch die Tötung des Mörders abwenden könne. Zu seinem Entsetzen glaubte er, das Gegenteil erreicht zu haben.

Die Unterstellung, er sei in eine Verschwörung gegen Kennedy verwickelt und habe deshalb Oswald umgebracht, deutete er im Sinne seiner Paranoia als Versuch, die Juden für den Kennedy-Mord verantwortlich zu machen. Nach seiner Festnahme glaubte er dann, die Endlösung habe schon begonnen – genau wie er in der Haft zu hören glaubte, dass im Keller Juden gefoltert würden.

Vierter Mythos: Die CIA oder die Mafia ...

... stecken hinter dem Mord an John F. Kennedy.

Zweifellos gab es in der CIA Elemente, die mit JFK unzufrieden waren. Insbesondere wegen des – wie sie es sahen – Verrats an den Exilkubanern, die 1961 im Auftrag Kennedys in der Schweinebucht gelandet waren, um Castro zu stürzen, und die völlig aufgerieben wurden. Und ganz sicher herrschte in der Mafia große Wut gegen Kennedys Bruder Robert „Bobby“ Kennedy, der als Justizminister – und damit als politischer Chef des FBI – zum ersten Mal in der US-Geschichte einen konsequenten Kampf gegen das organisierte Verbrechen führte.

Aber erstens macht die Tatsache, dass jemand ein Motiv hat, ihn nicht gleich zum Täter. Viele Leute waren mit Kennedys Politik unzufrieden, etwa Charles de Gaulle, Konrad Adenauer und Willy Brandt; von Nikita Chruschtschow und Fidel Castro ganz zu schweigen. Das macht sie nicht automatisch zu Verdächtigen.

Denn in allen Fällen gilt zweitens, dass es ein starkes Gegenmotiv gibt: die Wahrscheinlichkeit, erwischt zu werden. Für die CIA hätte das die Auflösung – und die Todesstrafe für die Hauptverantwortlichen – bedeutet; für die Mafia, dass der Kampf gegen sie erst recht und mit noch nie da gewesener Intensität geführt würde. Deshalb verfolgt die Mafia den Grundsatz, keine Politiker zu ermorden.

Aber selbst wenn man unterstellt, dass die CIA oder die Mafia dumm genug gewesen wären, einen solchen Mordversuch zu unternehmen; selbst wenn man außer Acht lässt, dass die USA keine Bananenrepublik sind und dass es in der gesamten Geschichte der USA nie eine Verschwörung von Teilen der Regierung gegen einen anderen Teil gegeben hat: Hatten sie wirklich ein Motiv?

Was die CIA betrifft, so waren Teile der Organisation nach der Schweinebucht-Affäre wütend auf JFK, da er sie zunächst entmachtet hatte. Später jedoch weitete der Präsident die Befugnisse der Spionageagentur sogar aus und bildete – unter Leitung Bobby Kennedys – eine CIA-Sondertruppe, die geheime militärische Operationen gegen Kuba unternahm, zu denen auch Attentate gehörten.

„Wir hatten da eine gottverdammte Mord-GmbH“

Was Kennedys Nachfolger Lyndon B. Johnson, als er davon erfuhr, zu dem entsetzten Ausruf veranlasste: „Wir hatten da eine gottverdammte Mord-GmbH laufen!“ Johnson – der bis zu seinem Lebensende davon überzeugt blieb, Castro habe JFK aus Rache umlegen lassen – stellte die Operationen sofort ein. Wenn also die CIA Kennedy umbrachte, weil sie mehr Einfluss und eine härtere Linie gegen Kuba wollte, hat sie das Gegenteil dessen erreicht, was sie wollte.

Was die Mafia angeht: Ihr Motiv für den Mord an JFK soll angeblich gewesen sein, Bobby Kennedy als Justizminister zu entmachten – ausgehend von der Spekulation, dass Johnson, der Bobby nicht leiden konnte, einen anderen Justizminister ernennen würde. Doch erstens blieb Bobby zunächst Justizminister unter Johnson. Zweitens war Bobbys Nachfolger ebenfalls kein Freund der Mafia. Und drittens hatte JFK kompromittierende Beziehungen zur Mafia via seinen Freund Frank Sinatra und seine Geliebte Judith Campbell Exner, die er mit Mafia-Boss Sam Giancana teilte. Bobby wiederum hatte die Mafia dafür gewinnen wollen, ihm bei der Ermordung Castros zu helfen. Warum hätte die Mafia ausgerechnet das Bruderpaar Kennedy entmachten sollen, das sie notfalls hätte erpressen können?

In der Tat ist der Einzige aus dieser Reihe, der nicht nur ein Motiv hatte, JFK umzubringen, sondern auch verrückt genug gewesen wäre, die Konsequenzen – die völlige Auslöschung – zu tragen, der Revolutionär Fidel Castro. In der Raketenkrise 1962 hatte er ja die Russen auf Kuba ermuntert, ihre Atomraketen gegen die USA abzufeuern, und hatte zusammen mit Che Guevara verkündet, die Kubaner wären stolz, als Märtyrer der Weltrevolution im Atomkrieg zu verbrennen.

Aber wie bei der CIA, der Mafia – und erst recht beim „militärisch-industriellen Komplex“, siehe nächster Punkt – stellt sich auch bei Castro die Frage: Wieso Oswald? Wer wie die Mafia, wie die CIA oder wie Castro über hochprofessionelle Killer verfügt, wird doch nicht einen unzuverlässigen, neurotischen, unerprobten Amateur einsetzen. Und da bewiesen ist, dass Oswald die Tat verübte, sind alle Verschwörungstheorien ohnehin bodenlos. Dennoch führen wir der Vollständigkeit halber eine weitere an:

Fünfter Mythos: Kennedy wollte die US-Streitkräfte ...

... aus Vietnam abziehen. Deshalb wurde er vom militärisch-industriellen Komplex ermordet.

Dies ist die Theorie, die der mysteriöse Herr X in Oliver Stones Märchenfilm „JFK“ vertritt. Aber erstens wollte JFK nur unter der Bedingung aus Vietnam raus, dass die Südvietnamesen aus eigener Kraft den Krieg gewinnen. Deshalb hatte er den katholischen Staatschef Südvietnams, Ngo Dinh Diem, von den Militärs stürzen lassen. Zweitens behielt Johnson sämtliche außenpolitischen und militärischen Berater JFKs bei, sodass es eine Kontinuität in der Vietnampolitik und keinen Bruch gab.

Drittens war Johnson, was die Außenpolitik und insbesondere Vietnam betrifft, zunächst eher weniger martialisch eingestellt als JFK; der militärisch-industrielle Komplex konnte also nicht wissen, dass der Vietnamkrieg nach 1964 derart eskalieren würde. Abgesehen davon, war Kennedy – viertens – selbst ein großer Freund des militärisch-industriellen Komplexes. Die letzte Rede seines Lebens hielt er in Fort Worth, am Morgen des Attentats, wo er darauf hinwies, dass er gegenüber der Vorgänger-Regierung die Zahl der Atomraketen, der Flugzeuge, der Kriegsschiffe – und der Spezialkräfte in Vietnam – massiv erhöht habe.

Hinzu kam das Mondprogramm, das der Raketenindustrie viel Geld brachte. Warum sollte der militärisch-industrielle Komplex gerade diesen Mann umbringen lassen? Und ausgerechnet von einem unehrenhaft entlassenen Marine mit einem billigen Versandhausgewehr aus italienischer Produktion!

Ich meine: Hallo?

Dieser Artikel wurde erstmals 2013 veröffentlicht.

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