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Panorama Nick Beefs Geheimnis

Rätsel um Ruhestätte neben Lee Harvey Oswalds Grab

Links liegt Lee Harvey Oswald, der 1963 US-Präsident John F. Kennedy erschossen hat. Rechts das Grab von Nick Beef - doch der ist Wirklichkeit am Leben und einfach nur ein Freund des schrägen Humors Links liegt Lee Harvey Oswald, der 1963 US-Präsident John F. Kennedy erschossen hat. Rechts das Grab von Nick Beef - doch der ist Wirklichkeit am Leben und einfach nur ein Freund des schrägen Humors
Links liegt Lee Harvey Oswald, der 1963 US-Präsident John F. Kennedy erschossen hat. Rechts das Grab von Nick Beef - doch der ist in Wirklichkeit am Leben und einfach nur ein Freun...d des schrägen Humors
Quelle: AP
Nahe dem US-Armee-Stützpunkt Fort Worth liegt Kennedy-Attentäter Lee Harvey Oswald begraben. Neben ihm ruht ein gewisser Nick Beef – oder etwa doch nicht? Nun wurde eine makabere Kunstaktion publik.

Der Name klingt nach dem Comic-Helden in einem TV-Spot der US-Viehzüchter-Vereinigung: Nick Beef, genauer NICK BEEF, hat im Amerikanischen einen ebenso schrägen Klang wie Nikolaus Rindfleisch im Deutschen.

Man kann verstehen, dass der Friedhofsbeamte des Shannon Rose Hill Cemetery im texanischen Fort Worth Ende 1996 zögerte, einen Granitgrabstein mit NICK BEEF zu beschriften. Ausgerechnet neben einem berüchtigten Grab. Erst als der rechtmäßige Besitzer des Beef-Grabes eine Kreditkarte auf diesen Namen herauszog und 987,19 Dollar für den Dienst bezahlte, war der Totenwächter überzeugt.

Seither liegt Nick Beef eine Handbreit neben Oswald. Und Pilger aus dem ganzen Land finden die Grabstätte des Mörders von John F. Kennedy neben einem morbiden Scherz.

Nichts anderes ist die angebliche Ruhestätte von Nick Beef, der mit Klarnamen Patric Abedin, 56, heißt, in Manhattan lebt und sich guter Gesundheit erfreut. Die „New York Times“ machte sich vor Tagen verdient, den Mann zu porträtieren. Er will vor dem 50. Jahrestag der Ermordung Kennedys am 22. November offenbar seine kleine Portion Ruhm genießen und das lieber in Vorwärtsverteidigung mit einem Interview als von Paparazzi aufgespürt.

Hang zum schwarzen Humor

Die Verschwörungstheoretiker, zu deren vornehmsten Zielen JFK noch immer zählt, dürften enttäuscht sein. Weder die CIA noch die Mafia haben bei der Nick-Beef-Affäre die Hand im Spiel, nicht einmal Wladimir Putin oder der greise Fidel Castro, dem einiges zuzutrauen ist, zahlten die Rechnung für den rosafarbenen Stein. Sondern ein „nonperforming performance artist“, ein „nicht funktionierender darstellender Künstler“ mit einem eingestandenen Hang zum schwarzen Humor.

Es gibt zweifellos Amerikaner, die meinen, eine solche Verhöhnung im Tode habe nicht einmal Lee Harvey Oswald (1939-1963) verdient. Der Friedhof in Fort Worth hat alles getan, Pilgerbesuche zu entmutigen. Man gibt prinzipiell keine Auskunft über die Lage des Grabes, unweit des Zauns zur Straße. Doch das abgetretene Gras um den Stein verrät, dass die Sache kein Geheimnis ist.

Als die Überreste des Attentäters exhumiert wurden, um Gerüchten nachzugehen, an seiner Statt sei dort ein russischer Agent begraben (eine Falschmeldung), wurden noch mehr Schaulustige aufmerksam. Heute verzeichnet Wikipedia die Grabstelle satellitengenau: 32° 43′ 56.84″ N, 97° 12′ 11.6″ W. Die Himmelsdaten für Nick Beef unterscheiden sich nur um Nuancen. Doch Patric Abedins Hang zu geschmacklosen Scherzen ist nicht die ganze Geschichte.

Das Trauma des toten Präsidenten

Der sechsjährige Patric, Sohn eines Airforce-Ingenieurs, saß auf den Schulter eines Militärpolizisten, als am Abend des 21. November 1963 die Präsidentenmaschine auf dem Luftwaffenstützpunkt Carsewell nahe Fort Worth landete. Die Kolonne mit John und Jacqueline Kennedy fuhr nur wenige Meter vor dem Jungen vorbei: „Welcome to Texas“ stand auf Spruchbändern.

Am nächsten Morgen wollte der Schuljunge, der wegen seines Asthmas die Pause im Klassenzimmer verbrachte, seine Ruhmestat erzählen, als der Direktor über Lautsprecher die Schreckensnachricht verkündete: Auf den Präsidenten war geschossen worden; bald darauf kam das Wort vom Tod Kennedys. Die Schule schickte die Kinder heim, wie überall in Amerika. Das Land fiel in Wut und Trauer. Keine Minute dieses traumatischen Tages hat Patric Abedin alias Nick Beef vergessen.

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Es folgten Familientragödien für den Jungen. Scheidung, fast ein tödlicher Autounfall, nur die Spritze gegen sein Asthma, die er in Carswell Airforce Base erhielt, blieb verlässlich. Und manchmal, so erzählt er, habe seine Mutter, die wieder geheiratet hatte, an dem Friedhof Shannon Rose Hill gehalten und mit dem Jungen das Grab von Oswald besucht: „Vergiss nie, dass du Kennedy am Abend vor seinem Tod gesehen hast.“

Eine ganz eigene Form der emotionalen Bewältigung

Als er 18 Jahre alt war, las er in der Zeitung, dass die Grabstelle neben Oswald frei sei. Er fuhr zum Friedhof, überzeugte sich davon und bekam die Urkunde: für 175 Dollar, zu entrichten in einer Anzahlung von 17,50 und sechszehn Monatsraten á zehn Dollar. Die Jahre vergingen, dann die Jahrzehnte.

Inzwischen verdiente Patric Abedin sein Geld als Journalist und gelegentlich als Gagschreiber. Unter dem Namen Nick Beef. Er heiratete, hatte zwei Kinder, ließ sich wieder scheiden. Um seine Kinder zu schützen, so Abedin, habe er sein Pseudonym auf den Stein gravieren lassen.

Beigesetzt werden neben dem Attentäter will Abedin nicht; er zieht eine Urnenbestattung anderswo vor. Auch behagt ihm die Gesellschaft Oswalds dann doch zu wenig, um sie dauerhaft zu suchen. So wird Nick Beef weiter sein seelenloses Nachleben als Bodyguard des Präsidentenmörders genießen, während sein alter Ego friedlich weiterlebt.

Je näher der Jahrestag rückt, desto mehr Besucher werden zur letzten Ruhestätte von Oswald und Beef kommen. Wie die Verschwörer nun einmal sind, wird es Leute geben, die an Patric Abedins Geschichte zweifeln. Was, wenn er doch nur der Strohmann der CIA ist? Was, wenn Abedin seine Unkosten regelmäßig über ein Konto in der Karibik erstattet bekommt? Fragen über Fragen. Es bleibt spannend.

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